Festivalbericht BANG YOUR HEAD 2014

2014 im 19. Jahr hat sich das Bang Your Head als Festival etabliert, für das nicht umsonst häufig die Attribute „familiär“ und „entspannt“ herangezogen werden. Man ist eben im Schwabenland! Die Organisation ist hervorragend, die Besucher durchgeknallt-liebenswert, der musikalische Querschnitt umfasst alle Metal-Genres und Horst Franz gelingt es neben Klassikern auch immer wieder lange nicht gesehene Perlen auf die Bühne zu holen.

Gerade was die Klassiker anbelangt so hört man von Kritikern immer wieder mal Stimmen wie „schon wieder Twisted Sister“, aber möglicherweise sind das die gleichen Menschen, die mit Wonne 3x pro Woche die Nummer 39 verspeisen. Hm…. Dagegen, so finde ich, ist alle paar Jahre ein Twister Sister Gig ein seltener Genuss auf den ich mich jedes Mal freue.

Der Wettergott zeigte sich Balingen am ersten Tag gnädig und die mit Bangen befürchteten 90% Regenwahrscheinlichkeit wandelte sich in einen angenehmen Sonne-Wolken-Mix.

So kann es auch ein eitler Pfau wie ich durchaus gut aushalten und um die Mittagszeit stand mein erstes Highlight auf der Bühne. Vain, die zwar immer wieder mal in dem einen oder anderen Club in Deutschland zu sehen sind, aber leider noch nie in meiner Nähe.

Beim nächsten Mal werde ich durchaus auch einen längeren Anfahrtsweg in Erwägung ziehen, denn der lohnt sich in jedem Fall. Davy Vain war, wie immer, in Lederhosen und barfuß unterwegs, und nutzte diese Bewegungsfreiheit zu einem ausgedehnten Laufprogramm, so dass kein Meter der Bühne ungenutzt blieb. Viele kennen von Vain sicher insbesondere die Songs des ersten Albums, die natürlich entsprechend abgefeiert wurden. Aber es wurden durchaus auch Rufe laut, die Material der zuletzt erschienenen CD forderten. Angenehm überrascht war ich von Davy Vains charakteristischer Stimme, die nach den vielen Jahren noch genauso klingt wie damals. Da heisst es nicht „No respect“, sondern jede Menge Respekt!
So muss ein gelungener Auftakt sein und mit Kissin‘ Dynamite ging es gleich weiter mit meinen persönlichen Favorites. Und immer werden Erinnerungen wach an das Rottenburger Stadtfest vor gefühlt 100 Jahren, als ich Hannes und Ande zum ersten Mal mit ihrer Band Blues Kids sah und mir schier die Spucke wegblieb. Eindeutig von den Eltern gefördert habe ich damals gehofft, dass nicht irgendwann so etwas wie Rebellion die Jungs ins Hip-Hop Lager befördert. Aber sie blieben, getreu dem Songtitel „I hate Hip hop“ den harten Klängen treu und auch bei meinem mittlerweile 12. Kissin‘ Dynamite Konzert hatte ich wieder viel Spass dieser Band zuzusehen.

Das Haarspray und das Bleichmittel wurde zwar mittlerweile eingemottet, die optische Präsenz ist, es fällt mir leider nur das blöde Wort ein, „erwachsener“ geworden, aber es ist immer noch die Bewegung auf der Bühne zu sehen, die mir bei anderen Bands häufig fehlt. Das sind Rampensäue durch und durch, und das ist gut so! Der einzige Song, der mir auf der Setlist fehlte war „Steel of Swabia“, der für mich so etwas wie das Markenzeichen der Band ist. Aber auf der kommenden Tour im Herbst ist er sicher wieder im Gepäck.

Gespannt war ich auf Riot V, denn zu meiner großen Schande muss ich gestehen, dass ich diese Band erst seit kurzem überhaupt auf dem Radar habe. Und das ist wirklich eine Bildungslücke. Wie kann es sein, dass eine Band mit diesem Songmaterial nicht grösser wurde? Irgendwie fällt mir da Anvil als Vergleich ein. Wobei, anders als bei Anvil, die Bandmitglieder von Riot sich ja nur so die Klinke in die Hand gaben. Und möglicherweise ist das auch ein Grund dafür, dass sie es nicht in die erste Liga schafften?

Komischerweise scheint sich keiner darüber aufzuregen, dass bei Riot V heute kein Originalmitglied mehr dabei ist. Da klingen mir die im Ohr, für die Kiss nicht mehr Kiss ist und die es Zeit fanden, dass Thin Lizzy ihren Namen ändern…Aber lassen wir das lieber, denn bei Kiss bin ich selbst empfindlich.

Riot V sind jedenfalls die neuen Riot und die haben mich umgeblasen. So muss für mich Metal sein! Schnell, prägnant, und trotzdem melodisch. Mit Todd Michael Hall wurde ein Sänger gefunden, der nicht nur eine Hammer-Stimme besitzt, sondern auch Ausstrahlung und *hüstel* einen offenbar sportlich-gestählten Body. Das Auge rockt ja schließlich mit und für ein Rock Chick ist nicht unerheblich WAS da auf der Bühne steht. Dabei geht es gar nicht mal um lange Haare oder den perfekten Körper, sondern viel mehr darum, dass sich jemand bewusst ist, dass eine Bühne keine Studiokabine ist, in der es egal ist, ob man aussieht als käme man vom Rasen mähen. Fazit: Beide Daumen hoch für Riot V und ich hoffe, dass ich diese Band bald wieder zu sehen bekomme.

Exodus, die nur wenige Wochen vor dem Bang Your Head die Rückkehr ihres ehemaligen Sängers Steve Souza bekanntgaben, haben damit wohl eine richtige Entscheidung getroffen, denn der Auftritt wurde entsprechend bejubelt und auch hier gab es wieder voll auf die Zwölf!
Bei Michael Schenkers Temple of Rock hab ich mich einmal mehr ertappt, dass ich keine großen Erwartungen hatte, denn bei diesen Ausnahme-Gitarristen fallen mir als Erstes endlose Soli ein, die ich persönlich eher ermüdend finde.
Aber wieder einmal hatte ich nicht daran gedacht wie viele Bands er schon hatte, mit wie vielen Musikern er schon zusammengespielt hat und wie viele Hits da geballt zusammen kommen! Etwas schade trotzdem, dass das Material von McAuley Schenker komplett auf der Setlist fehlte. Es muss ja nicht gleich eine Ballade sein, aber ein „Gimme your love“ hätte sicher für diesen herrlichen Sonnentag noch gut gepasst.
Als nächstes war ich seeehhhrrr gespannt auf Sebastian Bach. Vorab: Ich mag die alten Skid Row Sachen sehr, mir sind auch die Sebastian Bach Solo-Scheiben lieber als alles was Skid Row nach seinem Weggang hervorgebracht haben, aber mit dem Typ habe ich irgendwie ein Problem. Ich habe ihn nie getroffen, nie ein Wort mit ihm gewechselt, er hat auch immer noch diesen „Sahneschnitten-Bonus“, und ohne ihn würde der Metal-Landschaft wohl etwas fehlen. Auch für Auftritte im TV ist er immer wieder gern zu haben und als er bei Californication Season 6 als verstorbener Rockstar auftrat bin ich vor Lachen fast von der Couch gefallen. Aber nach dem Hick-Hack und seinen Facebook-Posts bezüglich des Bang Your Head Auftritts 2014 war ich schon nicht mehr scharf darauf, dass er überhaupt kommt. Unvergessen auch die Aktion, als er sich vor Jahren in Balingen mit einem auf die Bühne geworfenen Skid Row T-Shirt den Hintern abwischte. Wo wäre er wohl ohne Skid Row?

Insofern war ich zwar etwas negativ vorgespannt, aber durchaus gewillt den Sahneschnitten-Bonus und seine Musik auf mich wirken zu lassen. Aber schon als er mit den üblichen, sehr ausladenden Schritten, als würde ihm ein ganzer Sack Mehl zwischen den Beinen baumeln, auf die Bühne gestürmt kam und nach 30 Sekunden einen Mikroständer in die Ecke pfefferte war es für mich gelaufen. Und was war das nochmal für ein Song? Ach ja, es sollte „Slave to the grind“ sein, wie ich irgendwann erkannte. Gepfeffert wurde beim nächsten Song gleich weiter, als nächstes war das Mikro dran, das nicht funktionierte. Im zweiten Versuch ging es zwar wieder und man hörte ihn laut und deutlich, aber wieder flog es dem Techniker übellaunig in die Hände. Das wirkte auf mich einfach nur divenhaft, arrogant und unentspannt. Pannen sind unangenehm, aber kann man damit nicht anders umgehen?

Dazu kamen leider auch massive stimmliche Schwächen. Vor allem bei den melodischen Passagen, bei denen seine Stimme wirklich zur Geltung kommen könnte waren so viele schiefe Töne dabei, dass ich mich an „I remember you“ an diesem Tag jedenfalls nicht erinnern möchte. Schade, schade, schade. Aber ein hübsches Gesicht allein reißt bei so vielen Minuspunkten das Ruder nicht mehr herum.

Ruck-zuck war es 20 Uhr und Zeit für den Headliner. Die große Axel Rudi Pell Show mit allem was dazugehört. Bei den Namen, die im Vorfeld als Akteure bekannt gegeben wurden und den Songs, die innerlich schon in mir summten war ich zwar sehr gespannt, aber auch etwas skeptisch. Denn Axel Rudi Pell ist doch etwas anspruchsvollere Kost und mir fiel sofort Heaven & Hell ein, die 2007 ebenfalls mit großartigen Musikern und ebensolchem Material auf der Bühne standen und die trotzdem bei mir keine wirkliche Stimmung aufkommen ließen.
Und leider ging es mir 2014 mit ARP nicht anders. Musikalisch ein Wahnsinns-Programm, und ich bin sicher, dass es für viele Besucher ein Konzert war von dem sie noch viele Jahre träumen werden. Steeler-Reunion, dazu die ARP Werke und als krönender Abschluss wurde mit „Long live Rock’n’Roll“ und „Smoke on the Water“ so klischeehaft das Genre zelebriert, wie ich es liebe, und die mittlerweile von dicken Regentropfen umgebenen Besucher konnten nochmal so richtig abgehen. Aber insgesamt fand ich es doch etwas zäh und ich fürchte das ging nicht nur mir so.

Der zweite Festivaltag begann mit Wolken. Dicken, grauen Wolken und einer Unwetterwarnung! Hey Petrus, so war das nicht vereinbart und so hatte meine Wetter-App das auch nicht vorhergesagt! Aber es hilft ja alles nichts. Eitelkeit hin oder her, wasserfest verpackt ging es zum Festivalgelände, denn eines wollte ich heute nicht verpassen: Anthrax!!!

Doch erst mal konnte ich wenigstens noch die letzten Songs von Rob Rock anhören. Zuletzt mit Driver 2009 in Balingen aufgeschlagen, stand er am Freitag schon mit Axel Rudi Pell auf der Bühne und durfte Samstag mit seiner eigenen Band ran. Was für eine Stimme! Scheinbar gibt es aber immer nur die Möglichkeit ihn in Balingen anzutreffen, zumindest bin ich ansonsten noch nie über eine Tour von ihm gestolpert. Schade, das wäre doch mal was! Aber sollte es damit nichts werden, werde ich beim nächsten Mal in Balingen garantiert wieder früher aufstehen, denn das lohnt sich auf jeden Fall!

Mit Stryper stand danach eine Band auf dem Programm mit der ich nie viel anfangen konnte. Songs mit Titeln a la „He’s the reason for the season“ entlockten mir ein gespielt seelisch-entrücktes Lächeln, aber keine wirkliche Begeisterung. Gepriesen sei das Vorurteil!

Somit konnte ich auch der Freude meines Umfelds, dass es Stryper, nach nur einem Konzert in Hamburg 2010, mal wieder auf eine deutsche Bühne schaffen, nicht ganz folgen. Aber ich war neugierig, wie „die“ denn nun live so sind. Vor meinem spöttischen inneren Auge sah ich mich zwar schon mit Blumenkranz im Haar Ringelrein tanzen, aber als es losging war mir ganz und gar nicht danach. Ich muss Abbitte leisten! Hallelujah, schon bei den ersten Klängen blieb mir der Mund offen stehen. Glasklarer, mehrstimmiger Gesang, und außerdem rockte es ganz gewaltig. Eine gut gelaunte Band, die musikalisch etwas drauf hat, optisch etwas hermacht und plötzlich höre ich mich, zusammen mit dem Rest des begeisterten Publikums, „To hell with the devil“ singen! So schnell kann es also gehen, dass man bekehrt wird!

Zu Bands, die ich weder gesehen noch gehört habe kann ich schlecht etwas schreiben und dazu gehören „Obituary“. Frau muss halt auch mal ausruhen und Death-Metal ist einfach nicht so wirklich meine Baustelle.
Für mich wurde es erst mit Unisonic wieder interessant, wo sich mit Kai Hansen und Michael Kiske zwei Helloween Urgesteine wieder gefunden haben, die in dieser Kombination natürlich das Herz eines jeden „Altmetallers“ höher schlagen lassen. Dabei soll nicht vergessen werden, dass der Rest der Band mit Dennis Ward, Mandy Meyer und Kosta Zafiriou auch nicht gerade Nobodys sind.
Obwohl man an dem Tag gemerkt hat, dass ein paar Mal mehr miteinander proben nicht geschadet hätte, tat das der Stimmung, sowohl bei der Band, als auch beim Publikum keinen Abbruch. Zwar sind auf der selbstbetitelten CD durchaus gute Stücke dabei und insbesondere der Titelsong gefällt mir ausgesprochen gut, aber am sehnlichsten natürlich werden die Helloween Songs erwartet und wenn man die Augen schließt ist man plötzlich wieder in den 80ern.
Und dann – endlich – ANTHRAX!! Was habe ich mir ein Loch in den Bauch gefreut als ich gelesen habe, dass Anthrax nach Balingen kommen. Zuletzt waren sie 2004 beim Bang Your Head, damals noch mit John Bush am Gesang, und schon das war ein Auftritt, der mir im Gedächtnis blieb. Aber für mich sind sie trotzdem erst seit der Rückkehr von Joey Belladonna wieder so richtig Anthrax. Nach dem hammermäßigen Album in 2011 wäre eine Headliner Tour ganz nach meinem Geschmack gewesen, aber Deutschland wird nicht gerade mit Anthrax Auftritten verwöhnt und so musste sich der geneigte Headbanger zuletzt mit Festival-Auftritten bzw. 2012 im Vorprogramm von Motörhead begnügen. Auch in Balingen war die Spielzeit natürlich nicht sooo üppig, aber dafür wurde alles reingepackt was den Kopf schütteln lässt. Da wird nicht gequatscht, da wird gespielt! Vom Anfang mit „Among the Living“ bis zum „Antisocial“ Ende war nur Vollgas angesagt. Dass zu „In the End“ Banner von Dimebag Darrell und Ronnie James Dio aufgezogen wurden ging fast an mir vorbei. Trotzdem soll diese schöne Würdigung hier nicht unerwähnt bleiben. Ebenso war mein Kopf zu beschäftigt, um darauf zu achten was der Rest des Publikums macht, aber nach den Stimmen zu urteilen, die ich hinterher gehört habe, hat nicht nur mir diese Show gewaltig Lust auf Mehr gemacht. Und wenn der Nachfolger zu „Worship Music“, der ja in Arbeit sein soll, nur ansatzweise heranreicht, dann hoffe ich endlich auf eine ausgedeeeehnte Headliner Show.

Obwohl ich Europe mag hatten sie es nach Anthrax schwer. Es hat eine Weile gedauert mich auf den veränderten Sound „einzuschwingen“. Bei „Superstitious“ hatte ich es dann geschafft und konnte den Mix aus älterem und neuerem Sound genießen. Neuer Sound deswegen, weil Europe seit „Start of the Dark“ anders klingen. Das unsägliche Wort von der „Weiterentwicklung“ mag ich an der Stelle nicht benutzen, aber es hört sich alles etwas schwerer an. Nicht schlecht, das keineswegs, aber nicht mehr so leichtgängig wie früher. Das mag zwar sehr erwachsen sein, aber wenn ich die Wahl habe zwischen dem 2006er „Love is not the Enemy“ und dem Methusalem-alten „Rock the night“, dann fällt mein Votum für den Mitsing-Kracher. Wenn man die Stärke des Chors misst, so schienen das viele andere im Publikum ähnlich zu sehen. Ob das nun daran liegt, dass die auch alle nicht erwachsen werden wollen oder schlichtweg mit dem nach der Reunion veröffentlichten Material nicht sehr vertraut sind, kann ich nicht beurteilen.
Zuletzt kam natürlich die Fanfare des „Final Countdown“ und man kann über diesen derart abgenudelten und zu Tode und bis zum Erbrechen oft gespielten Song sagen was man will, er ist einfach ein Meisterstück und wird es immer bleiben! Niemals käme ich auf die Idee daheim im Wohnzimmer freiwillig diesen Song zu hören, aber bei einem Europe Konzert, unter freiem Himmel, ganz leicht promille-geschwängert, mit Tausenden von gleichgesinnt Verrückten, da muss das einfach der krönend-grölende Abschluss sein.

Allerdings war es noch nicht der Abschluss des Bang Your Head an diesem Abend, denn Twisted Sister setzten dem Ganzen noch die Krone auf. Hier wird erst gar nicht versucht auf erwachsen oder virtuos zu machen. Twisted Sister tun das, was sie am besten können, nämlich eine Party zelebrieren. Und sie wirken dabei weder angekratzt noch altersschwach, das sitzt auch musikalisch immer noch!
Ich habe nicht verglichen inwieweit die Setlist 2014 abweicht von der aus 2010, aber es ist mir auch egal. Wie war das doch gleich? Auf der Nummer 39 ist auch immer der gleiche Belag drauf und sie schmeckt trotzdem jedes Mal! Wenn Dee Snider und seine Mannen bzw. Schwestern auf der Bühne stehen, dann möchte ich „We’re not gonna take it“, „I wanna rock“, „You can’t stop Rock’n’Roll“ und als Balladen-Heulsuse natürlich auch „The price“ hören und genau das bekomme ich auch serviert, zusammen mit weiteren Beilagen zum Mitgrölen und Feiern. Etwas, das den langen Tag und die wehen Füße vergessen lässt und die Kräfte nochmal mobilisiert. Und das haben Twisted Sister auch in 2014 wieder geschafft.
Ein würdiger Abschluß für zwei super Konzerttage, und sogar des große Unwetter blieb zum Glück aus.