Nachtblut l Apostasie Tour 2017 l MAZE Berlin

Das MAZE in Berlin Kreuzberg trägt einen passenden Beinahmen. „Kunst, Kultur und Wohnzimmer“. Als Fotograf suggeriert man dabei sofort – „Eng, Dunkel und Heiß“. Tatsächlich habe ich lange überlegt,  ob ich mir das NACHTBLUT-Konzert am Freitagabend tatsächlich „antun“ sollte. Videos und neue Platte waren dann aber doch ausschlaggebend, das Wagnis einzugehen. So sei also vorab die mangelnde Quantität und Qualität der Fotos entschuldigt.

Als ich kurz vor 19:00 Uhr den Innenhof des Mehringdamm 61 erreichte, hatten sich mal gerade zwei Handvoll Leutchen vor dem Eingang des MAZE versammelt und harrten geduldig dem Öffnen der Türen. Erleichtert stellte ich wieder einmal fest, dass ich bei weitem noch nicht der älteste Besucher des Konzertes war, auch wenn die junge (dunkle und geschminkte) Fraktion nahezu 95 Prozent des Publikums ausmachte. Also dann mal rein. Zwei Handvoll Leute mögen sich nun wirklich nicht viel anhören, aber damit war der Innenraum vor der Bühne schon mal zur Hälfte voll. Ein direkter Platz vor der Bühne (einen Fotograben gab es selbstredend nicht) blieb mir damit versagt, was die Sache auch nicht einfacher machte. A Pro Pos Bühne. Wie auf diesem Fleckchen Erde eine Dark Metal Band Platz haben und dann auch noch ein Konzert spielen wollte, erschloss sich mir noch nicht so richtig. Umso verwunderlicher war es, dass das Konzert nicht hochverlegt wurde, war es doch schon Wochen vorher ausverkauft. Und Clubs für Live-Konzerte gibt es doch in Berlin nun wirklich mehr als genug.  Wie auch immer. 200 Besucher drängten sich letztlich in der kleinen Location, und ja, es war eng, dunkel und heiß.

"Wer glaubt das Recht hat zu entscheiden, ist richtig gut und böse falsch, dem wird die Saat des Bösen zeigen, wo sich die Spreu vom Weizen trennt." Und um eben diese Spreu vom Weizen zu trennen gibt es neben der Saat des Bösen auch KRANKHEIT, eine Dark-Industrial-Metal-Band aus Österreich. Als Support von NACHTBLUT eröffneten sie den Abend gegen 20:00 Uhr. Hart, melodisch, düster und krank so charakterisiert die Band selbst ihren Stil und das konnten sie auf der Bühne im MAZE auch durchaus unter Beweis stellen. Die Texte kommen ziemlich brutal daher, das musikalische wird neben dem Gesang hauptsächlich von der Gitarre geprägt. Ohne Keyboards und vor allem ohne Bass, bleibt auch nicht viel Spielraum. Man kann KRANKHEIT mögen oder auch nicht, bei mir hinterließen sie jedenfalls einen stärkeren Eindruck als noch vor 2 Jahren beim „ELBE BRENNT“-Festival.

Umbaupause. Mit vor Schreck geweiteten Augen musste ich mit ansehen, wie auch die letzten Scheinwerfer von der Bühne geräumt wurden. War das Licht bei KRANKHEIT noch erträglich, würde NACHTBLUT ein Act ohne Lichtblicke – im wörtlichen, wie auch im übertragenen Sinn – werden. Nicht das wir uns falsch verstehen, NACHTBLUT lieferte ein solides Dark-Metal-Konzert ab, nicht weniger, aber leider auch nicht mehr.
Und ein Keyboard gab es denn letztlich auch nicht. In der Veranstaltung noch als Quintett angekündigt, trat NACHTBLUT in Berlin wieder als Quartett auf, was dem Sound insgesamt viel von seiner Breite nahm. Keyboarderin Amelie wurde vor dem Tourauftakt von einem Auto angefahren und konnte aus diesem Grund die gesamte Tour nicht spielen. An dieser Stelle auch von mir noch einmal die besten Genesungswünsche.

So blieben die epischen Soundpassagen, die teilweise auf dem Album zu hören sind, völlig auf der Strecke. Wie sich das in einer so kleinen Location angehört hätte, wäre sicher ein interessante Erfahrung gewesen … vielleicht so, wie wenn man NIGHTWISH auf eine Gartenparty lädt.

Ein düsteres Intro und dann begann die Show mit „Multikulturell“, der auch als Opener auf dem Album „Apostasie“ fungiert, unter dessen Zeichen die Tour 2017 steht. Die Texte von NACHTBLUT sind in ihrer Aussage eindeutig, die Lyrik bleibt ein Manko der Osnabrücker Band. Zwanghafte Reime, der Reime willen, die die deutsche Sprache das eine oder andere Mal völlig ad absurdum führen. Dem Publikum im MAZE freilich war es egal. Man sang mit und machte sich keine großen Gedanken ob linguistischer Feinheiten. Und das dann tatsächlich auch von Anfang bis Ende.

Mit Songs wie „Blutgräfin“ und „Amok“ ging der Abend düster weiter. Nach den ersten Songs wurde aber auch eines klar. Der ganz große Druck kam von der Bühne nicht. Der treibende Sound, der auf dem Album mitreißt, war nur ansatzweise zu hören. Sowohl „Skoll“ an den Fellen als auch „Greif“ an den Saiten bearbeiteten ihre Instrumente eher zurückhaltend. Dazu kam, dass man (vielleicht ja tatsächlich aus Platzgründen) auf das Double Bass Drum verzichtete. Wirklich überzeugen konnte eigentlich nur AblaZ am Bass. Getanzt wurde, so es auf dem engen Raum halt möglich war, trotzdem überall. Geheadbangt mal sowieso. Und als Sänger Askeroth höchstpersönlich von der Bühne stieg und einen Moshpit kreierte, ging es schon ziemlich wild her.

Nebenbei soll noch angemerkt werden, dass der Tontechniker einen wirklich guten Job machte. Bei so einer kleinen Location ist es sicher nicht einfach den Ton gut abzumischen und klar aus den Boxen zu zaubern. Kompliment.

Viele Titel des neuen Albums „Apostasie“, das übrigens unter den TOP 50 der Deutschen Album Charts platziert ist, schafften es auf die Set-List des Abends. Natürlich wurden aber auch Songs von älteren Alben gespielt, und das war dann der Kelch, der auch an mir nicht vorüberging.

Irgendwie hatte es im Laufe des Abends ein Verrückter (sorry, mir fällt in diesem Zusammenhang aber wirklich kein anderer Begriff ein) geschafft, sich an mir vorbei an den Bühnenrand zu drängen. Mit freiem Oberkörper (Ästhetik ist auch etwas anderes) nervte er die Umstehenden und mich mit rudimentären Geschrei und unkontrollierten Armbewegungen. Die Protagonisten des Abends zeigten sich davon scheinbar unbeeindruckt. Aber eben nur scheinbar. Denn als Askeroth beim Song „Ich trinke Blut“ den obligatorischen Kelch in die Hand nahm, trank er nicht nur vom „Blut“, sondern goss es auch großzügig über den entblößten, nervenden Oberkörper. Dumm für mich, dass ich genau in diesem Augenblick mal wieder das Fotos des Tages schießen wollte - den begossenen Pudel, in Form eines blutverschmierten Verrückten. Leider war ich schnell genug, und so landete ein Großteil des (Kunst-)Blutes auf meinem Objektiv. Damit war der Abend dann für mich auch schon beendet. Auch wenn das Zeug Objektiv und Kamera nicht wirklich schadet, so ist es schier unmöglich mit einem blutverschmierten, klebrigen Objektiv weiter zu fotografieren.

Was bleibt als Fazit? NACHTBLUT wussten die eigenen Fans zu überzeugen und verstanden es auch ordentlich Stimmung in den Laden zu bringen. Für mich persönlich blieben sie an diesem Abend trotzdem etwas blass, zumal ich ihnen wesentlich mehr Potential zutraue. Wer soliden Dark-Metal hören möchte, ist mit den Osnabrückern immer gut bedient. NACHTBLUT bewegt sich definitiv über dem Durchschnitt des Genres. Für Außergewöhnliches aber hat es – zumindest am Freitagabend – nicht gereicht. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Zuzutrauen ist es ihnen jedenfalls.

KRANKHEIT

NACHTBLUT