Maerzfeld - Fremdkörper
Band: Maerzfeld
Album: Fremdkörper
Label: Südpolrecords/Rough Trade
Release Date: 03.01.2014
Genre: NDH
Rezensent: Torsten
Tracklist:
01. Maerzfeld
02. La Petite Mort
03. Fremdkörper
04. Muttertag
05. Treibjagd
06. Krieg
07. Fleisch im Fleisch
08. Heilige Krieger
09. Tanz für mich
10. Kopfschuss
11. Letzter Sommer
Lineup:
Heli Reißenweber - Gesang
Matthias Sitzmann - Gitarre
Mike Sitzmann - Gitarre
Thilo Weber - Keyboard
Bora Öksüz - Bass
Michael Frischbier - Schlagzeug
Vielen Dank an Maerzfeld für das zur Verfügung stellen des Albums.
Beurteilung
Moshmuskeln statt Tennisarm
Maerzfeld?...das sind doch die, die... Nein. Maerzfeld ist Maerzfeld.
Maerzfeld ist NDH.
Der Gesang ist hart, direkt und ohne Schnörkel, die Gitarren härter, und die Schmerzen in der Moshmuskulatur nach genießen der nun zweiten Scheibe am härtesten. Versprochen. Neue Deutsche Härte auf den Punkt gebracht. Worte statt des Grafens Phrasen. Das Ganze dann gleich 11 mal. Ergo, nix für Mimimis.
„Fremdkörper“, also nach „Tief“ der zweite Silberling der sechs Nordbayern. Ich möchte mit Euch direkt beim ersten Titel, „Maerzfeld“ einsteigen. -Der Opener der CD und gleichzeitig auch der „was erwartet Dich in den kommenden gut 45 Minuten - Reiseführer “. Klares Schlagzeug, sauber abgegrenzte Gitarren, eine Prise Elektro und sehr reine Textpassagen, die, wie gerade schon erwähnt, aufklären und einladen. „Komm mit mir, es ist Maerz“. Gerne!
Im zweiten Gang wird’s dann schneller. Es ist faszinierend und zugleich erschreckend, wie man in bequemen Melodien, scheinbar beiläufig, eine solche Wucht an harten Worten unterbringen kann. Im Song „La Petite Mort“ geht es beispielhaft um Frauen die an den falschen Typen geraten, und dabei ihr Unglück finden. Heli selbst beschreibt darin seine eigenen Ängste, wenn er an seine mittlerweile erwachsene Tochter denkt. Refrain? Einer von jenen wo des Frontmanns Mikrofon Richtung Publikum zeigt. Die Nummer geht gut ins Ohr.
Ganz klarer Mitbrüller auf jedem Konzert.
Der dritte Song und Namensgeber des Albums „Fremdkörper“ beruht auf zwei Begebenheiten aus dem näheren Umfeld der Band. Ein Bekannter von mir hat sich zur Frau umoperieren lassen, erzählt Heli. Ich hatte ihn länger nicht mehr gesehen, bis er eines Tages als Frau in meiner Kneipe stand. An den Anblick muss man sich erst gewöhnen, zumal er jemand war, der als Mann gerne mal betrunken unterm Tresen gelegen hatte und sich als Frau jetzt komplett anders verhält. In einer zweiten selbst erlebten Geschichte ließ sich ein achtzehnjähriger Junge zum Mädchen umoperieren. Die Mutter brachte einen Sohn zur Welt und wird damit konfrontiert, jetzt eine Tochter zu haben. Viel Erklärung, viel Text. So kommt auch dieser Song daher. Stimme dominiert hier eindeutig und ausgiebig.
Bei „Treibjagd“, die Nummer 5 auf „Fremdkörper“ und mein persönlicher Favorit, schaffens die Jungs tatsächlich, wie im Titel versprochen, den Hörer mit treibendem Sound durch den Song zu feuern. Prügelnde Axt und schnelles Keyboard. Verschnaufpause? Is nich. Ich habs versucht, aber das nächste Gitarrenriff hat mich wieder aus der Deckung gejagt.
Die 8, „Heilige Krieger“. Darüber muss man reden. Es geht um „Kirche“.
Um den „Glauben“, und darum wie relativ und verlogen dieser heute gelebt, gelehrt, für Macht und Ideologien missbraucht wird. Bekehren durch Gewalt, innerer Friede im Sinne des „Glaubens“ durch Tod, unsinnige Versprechen der Obrigkeit. Himmel statt Hölle. Erlösung. Unrecht, das unter dem Deckmantel des „Glaubens“ geschieht. „Heilige Krieger“ ist ein kritischer Song der, jede Neutralität wahrend, die „Religion“ an sich anklagt ohne eine Spezielle zu benennen. ...zumindest nicht im Text.
So geht es nun langsam dem Ende zu. „Letzter Sommer“. Melodischer Ausklang mit gewohnt harten Worten. Trauer in Melodie verpackt, tragende Gitarren und ein leiser Chor im Hintergrund. Hallo Abschied, du musst leider gehen. Ein solcher Song zum Ausklang einer CD? Ja, das mag ungewöhnlich erscheinen, aber wenn man sich vor Augen führt dass „Letzte Sommer“ als Nachruf für einen verstorbenen Bekannten zu sehen ist, dann macht das Sinn. Der Nachruf kommt am Ende.
Fazit: „Fremdkörper“, ein, wie ich finde, brachiales und sehr gelungenes Kunstwerk, das mit Kraft, Ehrlichkeit und (Selbst-)Ironie zu beeindrucken weiß. Die Texte sind gesellschaftskritisch und erzählen, ohne das zur Mode gewordene Blatt vor den Mund zu nehmen. „Fremdkörper“ verarbeitet Geschehenes, klagt an,
ist gesellschaftskritisch und möchte warnen. Ein gesunder Mix aus Lebenserfahrung, einem klaren Blick auf die Welt, harter, beharrlicher Arbeit und direkte Ansagen die sich wie ein roter Faden durch das Album ziehen. Angenehm unbequem, einfach ehrlich, und doch in jedem Song erfrischend neu. Musik nicht für jeden Moment. Songs die man einfach nur hören kann, aber, je nach Lust und Laune, auch genügend Stoff zum Nachdenken liefern. Spiel- und gesangstechnisch empfinde ich dieses Werk, wenns um NDH geht, auf sehr hohem Niveau. Es hebt sich von vielem ab was der Markt so bietet, und ist eine, mit Sicherheit hart erarbeitete Steigerung zur ersten CD.
Im Laufe des Hören und Schreibens habe ich mein Cola Zero gegen einen gediegenen Jack getauscht, und ich fühle mich wohl. Die Moshmuskeln schmerzen. ...alles andere würde ich nicht zugeben.
Für Euch, Torsten