AC/DC - ROCK OR BUST World Tour 2015 (Berlin)
Running Order und Galerielinks:
18:00 Uhr - THE WHISKEY FOUNDATION
19:15 Uhr - VINTAGE TROUBLE
20:30 Uhr - AC/DC
"Er ist der Schöpfer dieser so schlichten wie unwiderstehlichen Riffs, die die australische Band so unverwechselbar gemacht haben. Er ist das Metronom von AC/DC, der Garant des Gleichklangs, der Webstuhl des schweren soliden Teppichs, auf dem der ganze Sound der Band fußt. Die meisten Riffs für die Ewigkeit hat er erschaffen. Keine andere Band ist innerhalb von drei Sekunden so tosicher erkennbar wie AC/DC. Er ist der Unique Selling Point von AC/DC." (Süddeutsche Zeitung 2014 - Christoph Schwennicke)
2015 muss man sagen: "Er war es."
Nein, die Rede ist hier nicht von Angus Young sondern von seinem Bruder Malcolm. Denn Malcolm war es, der die Rocklegende AC/DC 1973 gründete, er war es, der die Songs schrieb und er war die führende Kraft von AC/DC. Nebenbei galt er auch als einer der besten Rhythmusgitarristen der Welt. Das Metronom von AC/DC ist musikalisch verstummt. Im September 2014 hat er die Band aus gesundheitlichen Gründen endgültig verlassen. Da fällt es kaum noch ins Gewicht, das auch Drummer Phil Rudd 2015 nicht mehr zur Band gehört. Chris Slade trommelte ja bereits von 1990-1995 bei AC/DC.
Bei all der Euphorie, die die ROCK OR BUST World Tour bei den Fans auslöste wird gern vergessen, dass AC/DC die wohl schwerste Zeit seit dem Tod von Bon Scott 1980 hinter sich hat. Malcolm Young war immerhin noch am Songwriting des aktuellen Albums ROCK OR BUST beteiligt, ob es für AC/DC nach 2015 ohne den kreativen Kopf der Band noch eine Zukunft gibt, wird sich erst noch zeigen müssen.
Mehr als ein Grund also, die Alt-Stars vom fünften Kontinent noch einmal LIVE zu erleben. Am 25.06.2015 gab die Band ihr vorletztes Deutschland-Konzert der aktuellen Tour im Berliner Olympiastadion.
Es war einer jener Tage, an denen alles zu stimmen schien. Während Berlin zu Wochenbeginn von Regenschauern und herbstlichen Temperaturen geplagt war, präsentierte sich jener Donnerstag trocken und warm. Und als ob die Sonne gleichfalls zu einem gelungenen Abend beitragen wollte ließ sie sich an diesem Nachmittag/Abend mehr am Himmel blicken, als die gesamte Woche zuvor.
Die Organisatoren bewiesen Weitsicht und öffneten die Tore bereits zwei Stunden vor dem offiziellen Konzertbeginn. So kam es kaum zu Staus an den Einlässen und alles in allem herrschte auf dem Areal eine ziemlich entspannte Stimmung. Bis auf eine Ausnahme vielleicht. Die Schwarzmarkthändler, die mit Ticket An- und Verkäufen auf das große Geschäft spekulierten, schienen mir nicht so richtig glücklich. Das mag wohl auch daran gelegen haben, dass nach dem Aufbau der Bühne gegen Mitte der Woche noch einige Sicherheitsbereiche für das Publikum frei gegeben worden und es an der Abendkasse sogar noch einige Restkarten gab.
Das Leid der Fotografen bei Großveranstaltungen sind die schier unendlich erscheinenden Wege. Da es für mich selbstverständlich war, auch die Support-Bands des Abends abzulichten, hieß das praktisch rein ins Stadion (unter Begleitung der sehr sympathischen Promoter von redcarped pr – an dieser Stelle auch ein großes Dankeschön an Julia und Susanne, die einen tollen Job machten), Treppen runter, Fotograben, Treppen hoch, raus aus dem Stadion. Einmal, Zweimal, Dreimal. Man mag mir an dieser Stelle also nachsehen, dass ich von den Acts von THE WHISKEY FOUNDATION und VINTAGE TROUBLE nicht wirklich viel mitbekam.
Die Münchner, die den Abend mit gut 20 Minuten Verspätung eröffneten, legten einen „dreckigen“, sehr ursprünglichen Blues aufs Parkett, der nicht so richtig in ein großes Stadion passen wollte, gleichwohl aber genial gespielt und gesungen, auf jeden Fall eine Empfehlung wert ist.
Was VINTAGE TROUBLE im Anschluss auf der Bühne veranstalteten ist mir in der Kürze der Zeit nicht so richtig klar geworden. Irgendwie schienen die Herren im Anzug auf mysteriöse Weise aus den 50er und 60er Jahren direkt auf die Bühne ins Olympiastadion gebeamt worden zu sein. Blues? Soul? Irgendwas zwischen drin. Unbestreitbar gut gespielt und mit einer Energie vorgetragen, die es den Besuchern schier unmöglich machte ruhig stehen zu bleiben. Ein ums andere Mal ertappte ich mich bei dem Gedanken mit Ty Taylor einen reinkarnierten James Brown auf der Bühne stehen zu sehen.
Die „verlorene“ Zeit wurde natürlich nicht wieder aufgeholt. Wie auch? So wurde es statt 20:30 Uhr kurz nach 21:00 Uhr bis die Rocklegenden aus Australien schließlich mit einem Intro, der den Amis die Erstlandung auf dem Mond streitig machte, den Hauptact des Abends einläuteten.
Auf dem Weg in den Fotograben erschlossen sich mir jetzt auch wieder einige Kuriositäten, die ich wohl nie so richtig verstehen werde. Während bei den beiden Support-Bands noch längst nicht alle Zuschauer den Weg ins Stadion gefunden hatten und so das Gelände davor von Menschenmassen bevölkert war (Merchandising, Bier, Würstchen, Bretzel – all das musste natürlich auch an den Mann/die Frau gebracht werden) wirkte das Areal nun fast ausgestorben. Bis auf die, die es sich volltrunken oder auch nicht auf dem Rasen bequem gemacht hatten und schliefen. Für was um alles in der Welt bezahlt man 100 Euro Eintritt um dann das eigentliche Konzert zu verschlafen? Mal davon abgesehen, dass man AC/DC nun auch nicht jeden Tag zu sehen bekommt. Aber vielleicht bin ich auch einfach nur zu spießig. Dabei sein ist schließlich alles und man muss ja keinem verraten, dass man das Konzert schlafend in der Waagerechten „genossen“ hat.
Der Anblick von oben in das Stadion war gigantisch. Knapp 70‘000 erwartungsfrohe Fans belagerten mittlerweile den Innenraum und die Ränge, von denen bestimmt jeder Zweite lustig mit seinen LED-Teufelshörnern rot blinkte. Mehrere Lautsprechertürme im Innenraum, sowie die zwei gigantischen Boxentürme links und rechts von der Bühne versprachen einen ordentlichen Hardrock-tauglichen Sound. Allerdings, von einem Bühnenbild scheint AC/DC nach wie vor nichts zu halten. Sofern man das Marshall-Equipment bis zum Abwinken nicht als solches sehen mag.
AC/DC, die sich per Intro und Videoleinwand endlich den Weg auf die Erde gebahnt hatten, betraten unter einer Pyro-Einlage die Bühne. Und als sich Rauch und Nebel gelichtet hatten, wurde uns ein altvertrautes Bild vor Augen geführt. Brian Johnson mit der obligatorischen Schiebermütze und ein von Beginn an auf der Bühne umherstürmender Angus Young, bei dem man das Gefühl nicht loswird, dass er neben seinen eigentlichen Einnahmen zusätzlich Kilometergeld bezieht. Mein Gott, der Mann ist Sechzig und wenn man seine Bühnenpräsenz mit der einiger anderer – weitaus jüngeren – selbsternannten Superstars vergleicht, bleibt einem vor Neid schier der Mund offen stehen.
„Rock Or Bust“, der Titelsong vom neuen Album fungierte als Opener und ließ den Funken von der Bühne sofort auf das Publikum überspringen. Trotzdem. Der Druck von der Bühne schien mir, verglichen mit älteren Konzerten, nicht mehr ganz so bedingungslos zu sein, die fast 30 Sekunden Pause zwischen den einzelnen Songs bremste immer wieder eine hemmungslose Euphorie. Dass Brian Johnson nicht unbedingt der große Geschichtenerzähler ist, ist ja hinlänglich bekannt. Mangelnde Kommunikation mit dem Publikum allerdings kann man ihm oder auch Angus nun wirklich nicht vorwerfen. Auch wenn sie dies eher nonverbal mit Mimik und Gestik ausdrückten. Und wenn 70‘000 begeisterte Fans ihren Lieblingsgitarristen mit „Angus, Angus“-Rufen feiern und man selbigen fast schon verlegen und überrascht ob der Ovationen auf der Bühne stehen sieht, erinnert nicht nur sein Bühnen-Outfit an einen Schuljungen. Mag sein, dass es in der Choreografie so vorgesehen ist. Es entbehrt trotzdem nicht eines gewissen Charmes.
Nach „Shoot To Thrill“ und „Hell Ain’t A Bad Place“ war Schluss im Fotograben und es begann ein letztes Mal die schier unendlich scheinende Tortur. Treppen hoch, raus aus dem Stadion, Kameras abgeben, Treppen runter, rein in den Innenraum. Dass mir dabei unter anderem der Klassiker „Black In Black“ verloren ging war schon ein wenig ärgerlich. Allerdings, und das habe ich bisher auch noch nicht erlebt, gewährten uns Julia und Susanne noch einmal 30 Sekunden Zeit um eine Totale zu fotografieren. Für diesen Shot kann man auch schon mal auf den einen oder anderen Titel verzichten. Eine brennende und rauchende Bühne allerdings blieb uns versagt. Pyro wurde tatsächlich nur beim Opener und in den Zugaben eingesetzt.
Das Erste, was mir auffiel, als ich mich hernach im Innenraum wieder fand, war die unglaublich gute und professionelle Kameraführung, die das Konzert auf die Leinwände übertrug. So entging auch den Fans in den oberen Rängen quasi nichts.
Aber … als ich so durch den Innenraum kroch, anders kann man meine Fortbewegungsart nach gefühlten 100 Fotokilometern und tausenden von Treppen kaum noch nennen, beschlich mich immer wieder ein Gefühl von Wehmut. Ein Gefühl, was man nicht an irgendwelchen Fakten fest machen konnte und sich trotzdem immer und immer wieder aufdrängte.
Die unverkennbaren Riffs von AC/DC, alte wie neue Klassiker brachten das Publikum zum Toben. Stevie Young – Neffe von Malcolm – machte einen ordentlichen Job, auch wenn sein Sound vielleicht nicht ganz so trocken und sein Anschlag nicht ganz so hart waren, wie bei seinem Onkel. Aber an wirklichen Überraschungen hatten die Australier eigentlich wenig zu bieten. Die Inszenierungen wie beispielweise die tönende Glocke in „Hells Bells“ kannte man ja bereits aus vorherigen Tourneen. Im Gegenteil, zuweilen hatte man das Gefühl, dass das Konzert 2015 ein wenig zu perfekt durchgeplant ist, Spontanität und Kreativität irgendwie auf der Strecke bleiben. Nicht, dass wir uns missverstehen. Es war zweifelsohne ein großes Konzert und wenn Angus sein fast 10minütiges Solo zum Besten gibt, wird man immer wieder daran erinnert, warum er zu den 25 besten Gitarristen der Welt gezählt wird. Aber war es tatsächlich auch die Hölle, wie von einigen Journalisten so großspurig proklamiert?
Ich weiß nicht, wie ich diese Wehmut in Worte fassen soll. Bei dem Song „TNT“ wurde ich in meine Kindheit zurück versetzt. Damals, im tiefsten Osten, wo es weder Westfernsehn und Westradio gab, war es einem meiner Kumpels irgendwie gelungen eben diesen Titel auf Kassette zu bannen. An einem herrlichen Sommertag im Freibad dudelten wir den Song dutzende Male in voller Lautstärke hoch und runter, bis es letztlich dem Schwimmmeister zu viel wurde und er das Wunderwerk ostdeutscher Unterhaltungselektronik (ein Plaste-Kassetten-Rekorder namens „Anett“) kurzerhand ins Wasser warf. Interessanterweise musste man das Teil nur trocknen lassen und es funktionierte wieder.
Unsanft wurde ich von einem Luftgitarre spielenden Vorruheständler angerempelt und befand mich wieder in der Gegenwart. Genau, das war es. Das Gefühl, vielleicht das letzte Mal eines der ganz großen Konzerte miterleben zu dürfen. Ein Konzert, in dem der Rentner von neben an mit 70‘000 Leuten abrockt. Mit einer Leidenschaft, die jedes Seniorenheim zum Wackeln bringen würde. Ein Konzert, in dem der sechsjährige Junge auf den Schultern seines Vaters mit großen Augen auf eines dieser Wunder der Welt blickt. Auf AC/DC.
Wo sonst werden im Minutentakt kollabierte Menschen aus dem Stadion gefahren? Und wo sonst sind diese Unglücklichen nicht nur kreischende Teenies, sondern hartgesottene Rocker, Universitätsprofessoren und die im „normalen“ Leben ach so spießige Hausfrau?
Was in Erinnerung bleibt? – Freundliche Securitys (auch wenn sie ab und an grimmig schauten), professionelle Medienbetreuung durch redcarpet-pr und fünf Australier (okay, Stevie Young lebt wieder in Schottland) die es wieder einmal vermochten in einer über zweistündigen Performance ihr Publikum in Ekstase zu versetzen.
Was noch bleibt? – Die Hoffnung, das mich mein Gefühl trügt und es nicht eines der letzten großen Konzert von AC/DC war.
Setlist:
ROCK OR BUST
SHOOT TO THRILL
HELL AIN’T A BAD PLACE
BLACK IN BLACK
PLAY BALL
DIRTY DEEDS
THUNDERSTRUCK
HIGH VOLTAGE
ROCK & ROLL TRAIN
HELLS BELLS
BAPTISM BY FIRE
SHOOK ME
SIN CITY
SHOT DOWN IN FLAMES
HAVE A DRINK ON ME
TNT
ROSIE
LET THERE BE ROCK
HIGHWAY TO HELL
FOR THOSE ABOUT TO ROCK