NICKELBACK - Feed The Machine Tour 2018 // 16.05.2018 Berlin
Gibt man bei Google den Suchbegriff „Die meistgehasste Band der Welt“ ein, steht zwangsläufig NICKELBACK im Ranking ganz weit oben. NICKELBACK? Ja genau. Jene NICKELBACK, die mit über 50 Millionen verkauften Tonträgern und unzähligen Nummer 1 – Hits zur einer der erfolgreichsten Bands der Gegenwart zählen. Aber wie kann das sein?
Die Kanadier haben im Grunde genommen zwei Gesichter und lassen sich in keiner der herkömmlichen Schubladen stecken. Die Platten waren zumeist poppig, ja fast schon soft abgemischt und orientierten sich so eindeutig am Kommerz, dass man NICKELBACK schon fast nicht mehr ernst nehmen konnte und sie Gefahr liefen, ihre eigene Identität zu verlieren. Das dieses Konzept dann auch noch funktionierte, mag besonders in der Musiker- und Kritikerszene auf Unverständnis gestoßen sein. Davon angestachelt schaukelten sich in den vergangenen Jahren die Rezensenten in ihrem „Hass“ gegenseitig so weit hoch, das am Ende kaum noch Platz für wirklich differenzierte Kritik blieb. NICKELBACK dienten als Opfer, welches gnadenlos ausgeschlachtet wurde.
Auf ihren Live-Konzerten hingegen ging es wesentlich rockiger zu. Derselbe Song, der auf der Platte noch als Rock Pop gemischt wurde, ging live als Hardrock, Alternativ-Rock oder gar Post Grunge über die Bühne. Natürlich blieb in der Vergangenheit auch Komposition und Songwriting des Öfteren auf der Strecke und lies noch viel Luft nach oben, aber ein Live-Konzert von NICKELBACK mit den gleichen Argumenten vernichtend zu kritisieren, wie zuvor die Platte, ist schlichtweg falsch und unfair.
Grund genug also einmal persönlich bei NICKELBACK vorbei zu schauen. Mitte Mai gaben sie im Rahmen ihrer „Feed The Machine Tour“ ein Konzert in der Berliner Max-Schmeling-Halle. Während sie 2016 noch in der Mercedes-Benz-Arena rockten, zogen sie diesmal in die etwas kleinere Location um. Aber wie schon vor zwei Jahren konnten sie auch diesmal die Halle nicht komplett füllen. Mit einer Kapazität von knapp 7‘500 Besuchern ist das aber auch schon anderen Acts nicht geglückt. Gut besucht war das Konzert allemal und das obwohl sich die Kartenpreise im oberen Preissegment bewegten. Mit im Gepäck hatten die Kanadier die Post-Grunge-Band SEETHER. Ursprünglich in Südafrika gegründet, heizte das Quartett um Shaun Morgan Welgemoed dem Berliner Publikum schon mal ordentlich ein. In der Szene sind SEETHER nun wahrlich keine Unbekannten und so verwunderte es nicht, dass ein Teil des Publikums den Support-Act ordentlich feierte. Das ging sogar soweit, dass der eine oder andere die Halle nach dem Auftritt von SEETHER wieder verließ. Diese waren also tatsächlich NUR wegen SEETHER gekommen.
Zwanzig Minuten bevor die Weltstars von NICKELBACK die Bühne betreten sollten, begann auf der LED-Leinwand, die statt eines Backdrops den gesamten hinteren Teil der Bühne einnahm, der Countdown in Form einer digitalen Uhr herunterzulaufen. Derweil hatten die Techniker immer noch damit zu tun, den Schweiß der Vorband aufzuwischen. Als es dann endlich so weit war und die Uhr auf Null heruntergezählt hatte, erschien aber nicht etwa die Band, sondern auf dem Screen wurde ein Trailer zu der bald erscheinenden NICKELBACK-Doku gezeigt. Kann man sicher machen, nur dass nach Ende des kurzen Videos erst einmal nichts passiert, war wohl so nicht geplant. Ruhe, erstaunte Blicke. Das Licht geht wieder an. Den Anfang hatten die Herren aus Kanada damit erstmal irgendwie vergeigt. Nach ca. einer Minute Ratlosigkeit ging es dann aber doch noch richtig los und NICKELBACK stürmten die Bühne.
Feed The Machine, das 2017 erschienene Album der Band war im Vergleich zu seinen Vorgängern schon wieder etwas rockiger und kantiger. Klar wird das den eingefleischten NICKLEBACK-Hasser nun auch nicht mehr überzeugen, aber das soll an dieser Stelle keine Rolle spielen. Der Titelsong des Albums war dann auch der Opener in der Berliner Max-Schmeling-Halle. Und wieder schieden sich die Geister an der Band.
Während der Rock-Fan im Innenraum von Anfang an ordentlich abfeierte, saß der weichgespülte Pop-Fan älteren Semesters wie erstarrt auf seinem knapp 100,00 Euro teuren Sitzplatz und starrte mit erschrockenen Augen auf die Bühne, nicht wissend, was da jetzt eigentlich passierte. Da machten es ihm die darauffolgenden Songs „Woke Up This Morning“ und der Welthit „Photograph“ auch nicht gerade einfacher.
Das Bühnenbild war dem Tour-Motto angepasst. Industrieller Look und Stahloptik prägen das
Bild, wenngleich es für eine Band dieser Größenordnung meines Erachtens ein wenig spartanisch ausfiel. Zwei Laufstege, links und rechts der Bühne und ein weiterer hinter dem Drum-Set, sorgten dafür, dass die Protagonisten des Abends genügend Bewegungsfreiheit hatten. Ob das auch der Grund war, warum die Fotografen ans FOH verbannt wurden und so kaum Gelegenheit hatten ein vernünftiges Foto zu schießen, entzieht sich meiner Kenntnis. Die Geamtproduktion des Abends konnte sich dennoch sehen lassen. Licht, Nebel und zwei weitere Leinwände links und rechts der Bühne ließen kaum Wünsche offen. Das Konzert wurde von mehreren professionellen Kameras gefilmt und so auch zum Gutteil live auf die Leinwände übertragen. Der Sound konnte sich durchaus hören lassen, gleichwohl die Max-Schmeling-Halle ja nicht unbedingt für einen großartigen Klang bekannt ist. Beim Support-Act SEETHER wurde sie diesem Ruf wieder einmal in vollen Umfang gerecht, Gott sei Dank besserte sich das im Laufe des Abends.
Von Anfang an kommuniziert Chad Kroeger als Frontmann mit seinem Publikum, die Fans werden abgeklatscht, einige Ansagen kommen auf Deutsch und man merkt der ganzen Band an, dass sie mit Spaß und viel Energie bei der Sache ist. Kein Wunder, dass der Funke sofort aufs Publikum überspringt. Von Pop-Balladen (sehr zum Leidwesen des immer noch erstarrt wirkenden Sitzplatzinhabers) ist anfänglich auch nicht viel zu hören. Stadionrock ist angesagt. Dass Kroeger dabei wieder mal nicht über seinen eigenen Schatten springen kann und einmal mehr in „Dicker Eier“-Manier seinen Standardspruch „Geile Scheiße“ zum Besten gibt, mag man verzeihen. Trotzdem, es passt einfach nicht und kommt aufgesetzt und gekünstelt rüber.
Danach wurde tief eingetaucht ins NICKELBACK-Universum. Fast von jedem Album, angefangen von „Silver Side Up“ (2001) bis hin zum letzten, schon erwähnten, „Feed The Machine“ fand ein Song den Weg auf die Setlist. Allerdings blieb mir bis zum Schluss unklar, warum die Tour sich nun „Feed The Machine“ nennt, denn falls mir nichts entgangen ist, spielten NICKELBACK von ihrem letzten Album nur zwei Songs. Den Titelsong und gegen Mitte des Konzertes „Song on Fire“. NICKELBACK wollte hier wohl kein Risiko eingehen und setzte auf Altbewährtes. So reihte sich zwar Hit an Hit, mir persönlich wäre aber etwas mehr Mut zum Neuen durchaus willkommen gewesen. Und so schlecht ist ihre letzte Platte ja nun auch nicht.
Bei Song Nummer 12 „Rockstar“ war dann mal wieder das Publikum an der Reihe. Zwei Fans sollten die Band gesanglich unterstützen. Die fanden sich dann auch. Die junge Dame und der junge Herr, die „Auserwählten“, erwiesen sich als absolut textsicher. Das an sich wäre noch verständlich gewesen, sang doch ein Großteil des Publikums seit geraumer Zeit alle Songs mit. Etwas merkwürdiger kam es mir allerdings vor, dass auch jeder Einsatz fast punktgenau kam. Wurde da bei der Auswahl der Publikumskandidaten doch etwas nachgeholfen, war es vielleicht gar kein so großer Zufall, dass ausgerechnet DIESE beiden auf die Bühne geholt wurden? Ich weiß es nicht. Und im Endeffekt ist es ja eigentlich auch egal. Die „Party“ (O-Ton: Kroeger) war mittlerweile voll im Gange.
Auch wenn Chad Kroeger als Frontmann die größte Aufmerksamkeit genoss, war es doch immer wieder sein Halbbruder Mike, der am Bass den Sound gnadenlos vorantrieb. Eigentlich sah man ihm das äußerlich gar nicht so sehr an, mit Basecap und Hemd machte er eher einen biederen Eindruck. Aber mit seinem fünfsaitigen Bass peitschte er förmlich die Songs nach vorn, so dass man den Eindruck hatte, das Daniel Adair an den Drums sich manchmal etwas strecken musste, um hinterher zu kommen.
Noch einmal fand ein Fan den Weg auf die Bühne. Colin (so stellte sich der junge Mann vor) verkündete als erstes einem Tim (der sich wohl im Publikum befand), dass er nun zwei Kästen Bier bekäme. Dann ging es los: „Animals“, mit Colin an der Gitarre. Er konnte es tatsächlich spielen. Wieder nur ein Zufall? Ob nun getrickst wurde oder nicht, die Publikumseinlagen kamen gut an und steigerten die Stimmung weiter. Also hinterfragen wir es nicht weiter.
Ihren Welthit (und der ist nebenbei bemerkt auch der erfolgreichste Rocksong des letzten Jahrzehnts) „How You Remind Me?“ setzten NICKELBACK ans Ende ihrer regulären Setlist. Natürlich war das Konzert in der Max-Schmeling-Halle damit noch nicht zu Ende, wohl keiner glaubte ernsthaft daran, dass es hier und heute ohne Zugabe abgehen würde. Endgültig Schluss war dann auch erst nach „Gotta Be Somebody“ und „Burn It to the Ground“. Frenetischer Jubel begleitete das Quartett bei ihrem Abgang und in mir reifte die Erkenntnis, dass nicht alles, was so geschrieben steht, tatsächlich auch der Wahrheit entsprechen muss.
Ob nun gehasst oder nicht, die Kanadier lieferten ein grundsolides Rockkonzert ab, das natürlich von radiotauglichen Ohrwürmern bestimmt wurde, nichts desto trotz sich aber mit dem gespielten Druck und der unbändigen Energie durchaus hat hören und sehen lassen können. Von dem Prädikat „schlecht“ war NICKELBACK an diesem Abend so weit entfernt wie der Planet Neptun von der Max-Schmeling-Halle. Aber Luft nach oben gibt es ja bekanntlich immer ….