Roba spricht mit Árstíðir lífsins

Quelle: arstidirlifsins.net

Roba: Sei gegrüßt Stefán, es gibt viele Mitmusiker, aber du bist der Kopf hinter dem Projekt Árstíðir lífsins. Nun ist Altisländisch keine allgemein gesprochene Sprache, noch ist sie leicht zu lernen. Woher kommt die Verbindung nach Island. Liegt es einfach daran, dass die altnordischen Überlieferungen meist in Alt-Isländisch sind oder gibt es noch andere bzw. weitere Gründe?

Stefán: Hallo Robert. Nun, die Verbindung nach Island hat sich zumindest in meinem Fall vor allem durch mein Studium der Nordischen Philologie und der Kunstgeschichte ergeben. Dies hat sich über die Jahre so weit intensiviert, dass ich schließlich zwischen 2008 und 2009 in Reykjavík an der Háskóli Íslands den MA „Medieval Icelandic Studies“ studierte. Bereits zu Beginn meines Studiums an der HÍ im Herbst 2008 gründete ich Árstíðir lífsins und begann schnell das erste Material für das Debut zu schreiben – sowohl musikalisch als auch textlich. Dass ich dabei auf altisländische Quellen (und damit auch auf den Inhalt meines Studiums) zurückgriff, war seit Anbeginn klar. Die Band ist letztendlich in dem Sinne gegründet worden, Teile altnordischer Literatur in den Texten und im Layout zu verwenden und natürlich auch mit einem „entsprechenden“ musikalischen Gewand zu umgeben. Besonders wichtig waren mir seit jeher vor allem die Isländersagas (isl. Íslendingasögur), welche im überwiegenden Teil zur Zeit der ersten 100–120 Jahre des isländischen Commonwealth spielen (930–1030/50). Dass damit ein Großteil der Handlung auf Island fixiert ist, erklärt sich natürlich von selbst. Nichtsdestotrotz ist die Handlung auf dem Debut und auch auf 'Vápna lækjar eldr' fiktiv, trotz dem Einbezug von Primärquellen und historische Fakten.

Roba: Bei soviel Hintergrundwissen und Expertise ist es ja kein Wunder, dass dieses Projekt das schafft, was viele Pagan Metal Bands verpassen: Authentizität. Nun ist der thematische Rahmen doch sehr stark auf, wie du schon sagtest, das Isländische begrenzt. Hast du denn vor, dich zum Beispiel auch der norwegischen bzw. schwedischen oder gar finnischen Geschichte zu widmen? Oder sind diese Pfade für dich da schon zu ausgetreten?

Stefán: Nun, ausschließen möchte ist das nicht, besonders da die entsprechende norwegische, dänische und teilweise schwedische Geschichte des Mittelalters (neben der englischen, französischen usw.) natürlich eng mit der isländischen zusammenhängt (die Bewohner des Nordens siedelten bekanntlich in der Wikingerzeit in sehr hohem Maße in West-, Nord- und Osteuropa). Zumindest auf dem nächsten Album soll aber noch auf Island geblieben und einen besonderen, sehr wichtigen Punkt der dortigen Geschichte betrachtet werden: die Christianisierung um 999/1000 AD. Zuviel behandelt halte ich die Geschichte weiterer nordischer Nationen im Mittelalter indessen nicht, keineswegs. Da viele Bands sich ohnehin nur einzelnen, sehr generell gefassten Themen bedienen, zudem zumeist allein die spärlich vorhandenen mythologischen Aspekte behandeln, ist nach wie vor eine große Bandbreite an möglichen Themengebieten vorhanden, die noch von keiner Band / von keinem Künstler benutzt worden sind.

Roba: Das ist sehr interessant. Welche Themen würden dir da spontan einfallen? Und wie hast du geplant, dich mit einer friedlichen Christianisierung auseinander zusetzen? Im Neuheidentum und in der Musik, gerade im Black Metal, wird dem Christentum ja oft sehr kritisch bis hasserfüllt gegenüber gestanden. Oft wird übertrieben von massenhaftem Zwangschristianisieren gesprochen und von vielen ehrenhaften Heiden, die deswegen starben.

Stefán: Konzeptionell kann etwa eine (kritische) Wiedergabe der vita von einen der beiden nordischen christlichen Bekehrerkönige (Óláfr Tryggvason und Óláfr helgi) von Interesse sein, sowie des paganen, ersten Reichseinigers Norwegens, Haraldr hárfagri. All diese Könige sind aus meiner Sicht besonders anhand ihrer rücksichtslosen Form der Ausübung von Macht besonders interessant. Auch attraktiv wären vielleicht die religiösen Differenzen einiger (paganer) Jarle von Hlaðir samt ihrer Gefolgschaft und dem christlichen Königs Hákon goði. Da gibt es sicher viele Möglichkeiten, altnordischer Literatur neues Leben einzuhauchen, ohne gleich irgendeine genuin heidnisch-antichristliche, vor allem aber durch die Moderne inspirierte Position zu beziehen, die in keiner Weise historisch verankert ist. Ohne Frage befinden sich zwar in der Óláfs saga Tryggvasonar und auch der Óláfs saga helga vergleichsweise brutale (und übertriebene) Schilderungen von Zwangschristianisierungen von Teilen Norwegens, die heute eine kritische Stellungnahme verlangen, jedoch darf natürlich das Geschriebene heute nicht mehr für die volle Wahrheit angenommen werden. Schließlich bedienten sich die hochmittelalterlichen Autoren der entsprechenden Sagas nicht nur gängiger zeitgenössischen Argumentationsformen, sondern sind natürlich selbst Christen (ergo Mönche) gewesen, die die heidnische Vergangenheit und Kultur ihrer Landsmänner verständlicherweise ab und an mit einem gewissen Abstand und Argwohn betrachten. Das solche Quellen aus heutiger Sicht erneut kritisch hinterfragt werden müssen, erklärt sich fast von selbst. Es erfordert aus meiner Sicht für die Verarbeitung von mittelalterlichen Quellen, etwa für Konzeptalben, nicht nur ein geschulte, kritische Vorgehensweise, sondern auch eine relativ neutrale Position des Autoren, da ansonsten nur zu leicht Geschichtsfälschung betrieben wird, die zumeist in modernen (romantisierten) Weltfluchtfantasien ihnen Ausdruck findet. Und das dies noch weniger historisch „wahr“ ist, als es (wie geschildert) die Primärquellen schon sind, sollte klar sein. Sicher mag dies für manche dann gerade seine volle Ästhetik entfalten, ich halte dies aber für absolut verwerflich. Was hingegen das nächste Album von Árstíðir lífsins betrifft, so möchte ich an dieser Stelle noch nicht weiter in das Detail gehen, da ich noch nicht aktiv begonnen habe, die Texte zu schreiben.

Quelle: metal-archives.com

Roba: Eine Einstellung, die, wie ich finde, sich auch klar im Konzept der Band widerspiegelt! Wird sich denn musikalisch, besetzungsmäßig beim neuen Album etwas ändern? Oder gibt es da noch keine konkreten Vorstellungen deinerseits?

Stefán: Nein, da kann ich bisher noch nichts Konkretes schreiben. Mit großer Sicherheit wird der Kern der Band, also Georg, Marsél, Árni und ich abermals die Hauptvocals übernehmen, Kristófr und Sveinn werden wohl wieder einzelne Kompositionen hinzufügen, Teresa und Tómas wieder mitsingen bzw. sprechen, vielleicht wird auch Kristín erneut einzelne Orgelarrangements spielen, mal sehen. Grundsätzlich ist aber angedacht, dass wir mit einem Kammerorchester der Listaháskóli Íslands zusammenarbeiten und über das Album verteilt klassische Arrangements verwenden, die von Árni komponiert worden sind. Wie und wo das vonstatten geht, ist aber noch völlig unklar.

Roba: Klingt aber jetzt schon verheißungsvoll. Ich hoffe, du wurdest das nicht schon tausendmal gefragt, aber ist es geplant, live zu spielen?

Stefán: Tausendmal sicherlich nicht, aber zumindest in jedem gegeben Interview, ja. Zur Zeit ist es jedenfalls nicht geplant, live aufzutreten, da mehrere Faktoren dagegen sprechen: Zuforderst fehlt es an der Zeit, alle (Live-)Mitglieder zu einer Zeit und an einen Ort zu versammeln, da wir alle stark in Arbeit und Studium eingespannt sind und uns nur eingeschränkt frei nehmen können. Außerdem ist natürlich die große räumliche Differenz ein Problem, da für gemeinsame Proben große Flugkosten aufgewendet werden müssten, die (bisher) nicht allein für Konzerte bezahlt werden können. Abseits davon ist es aber wohl kein Problem, die Musik von Árstíðir lífsins live zu präsentieren, da der Grundstock von zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug, Keyboard / Synths (die auch die Geigen übernehmen könnten) und den vier Stimmen nicht sonderlich extravagant ist.

Roba: Nun, dann hoffe ich, dass ihr es irgendwann arrangieren könnt, live zu spielen. Ein kleiner Bandwechsel: Wie ist es eigentlich gerade um dein anderes Projekt Kerbenok bestellt? Gibt es da Neuigkeiten, die den Fan interessieren könnten?

Stefán: Kerbenok ist ebenfalls nicht untätig gewesen in den letzten Jahren und hat ein neues Album aufgenommen, welches wahrscheinlich „Grund“ heißen wird. Einzig die Vocals fehlen noch und wir planen, Mixing und Mastering im Herbst dieses Jahres zu beenden. Wann und in welcher Form das Album erscheinen wird, ist zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht klar. Ab davon hat Christopher vor einiger Zeit mit ein paar Freunden die Band YRA (www.yraband.de) in das Leben gerufen. YRA haben mit der EP „Individuals Club“ gerade ihre ersten Aufnahmen hinter sich gebracht, welche komplett auf der Webseite angehört werden können. Amir wiederum spielt seit mehreren Jahren neben Kerbenok bei chipko (http://soundcloud.com/chipko), welche vor einigen Monaten ihre zweite EP „Privileg Voliere“ selbst heraus brachten. Ich spiele zudem bei About Fading, welche ebenfalls ihre erste EP vor einigen Wochen aufnahm. Einige Songs davon werden wahrscheinlich in den nächsten Wochen via Facebook, MySpace, YouTube, usw. veröffentlicht werden.

Quelle: metalobscure.com

Roba: Oh ein weiteres Projekt! Kannst du uns mehr von „About Fading“ und zum Konzept vom neuen Kerbenok Werk erzählen?

Stefán: Nein, da möchte ich mich gerne noch etwas im Verborgenen halten. Es sollte aber, was About Fading angeht, nicht mehr lange dauern, bis wir mit dem Material und mehr Informationen an die Öffentlichkeit treten. Ähnliches lässt sich wohl auch für das neue Werk Kerbenoks schreiben.

Roba: Das ist natürlich kein Problem, Interesse hat es auf jeden Fall geweckt. Kommen wir wieder zu Árstíðir Lífsins. Neben der Geschichte um Island an sich, was sind die Inspirationsquellen für dich, solch Musik schaffen zu wollen?

Stefán: Ohne Frage inspirierte mich bereits bei einer Fahrradreise, die ich im Sommer 2008 von Kiel nach Reykjavík unternahm, die färöische, vor allem aber die isländische Landschaft. Besonders die Ostfjorde und der Süden, später auch die Westfjorde, Þingvellir und die Landschaft um den Borgafjörður herum prägen auch heute noch zutiefst meine Erinnerungen an Island. Das die isländische Natur sich daher (zumindest zum Teil) in den Texten von Árstíðir lífsins wieder findet (und vielleicht auch ab und an in der Musik in Form von Soundeffekten), ist in meinen Augen eine logische Konsequenz. Ohne Frage wäre die Band, die Texte und die Musik nie entstanden, wenn ich nicht auf Island gelebt und studiert hätte.

Roba: Das ist doch ein schönes Schlusswort. Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal bei dir für deine Zeit bedanken und dir alles Gute bei allen deiner Projekte wünschen. Ich freue mich schon auf  die neuen Werke, die da kommen werden! Dir die letzten Worte.

Stefán: Vielen Dank für das Interview.


Roba für Lady-Metal.com